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Die wissenschaftliche Untersuchung des prähistorischen Kalksinterplattenabbaus in der Lurgrotte Semriach (Kat. Nr. 2836/1)

Die nördlich von Graz gelegene international bekannte Lurgrotte Peggau-Semriach mit ihren imposanten Tropfsteinformationen ist nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel für die Grazer und Touristen aus aller Welt, sondern seit Jahrzehnten ein reicher Fundort für prähistorische Entdeckungen. Zu einer archäologischen Sensation ersten Ranges entwickelte sich der bereits seit mehreren Jahren untersuchte Kalksinterplattenabbau in der Semriacher Lurgrotte, der einzigartig und derzeit noch ohne vergleichbaren Gegenpart in Europa ist.

Obwohl die Höhle seit3 über 100 Jahren erforscht wird, entdeckte man in den vergangenen zwei Jahrzehnten weitere großräumige Höhlen in der unmittelbaren Umgebung. Die in einem Seitenteil der Lurgrotte befindlichen Abbauspuren entlang von Kalksinterschichten wurden jedoch nicht näher wissenschaftlich untersucht, obwohl diese schon vielen Besuchern des Höhlenteiles aufgefallen waren. Der Autor, Prähistoriker und Anthropospeläologe Dr. Heinrich Kusch (Karl-Franzens-Universität Graz) gab vor drei Jahren den Anstoß zu diesem Projekt, das erst durch die Beiziehung des bekannten Speläologen und Geologen Univ.-Prof.Dr. Christoph Spötl von der Universität Innsbruck ermöglicht wurde. Gemeinsam mit Dr. Karl-Heinz Offenbecher (Universität Innsbruck) und Univ.-Prof. Dr. Jan Kramers von der Universität Bern (Schweiz) konnten die neu nachgewachsenen Schichten des Sinters mittels Uran/Thorium-Datierung von den Abbauschichten zeitlich abgegrenzt werden. Ermöglicht und maßgeblich unterstützt haben die Untersuchungen die Besitzer der Höhle Herr Andreas Schinnerl und Herr Peter Schinnerl aus Semriach, Herr Univ.-Doz. Dr. Bernhard Hebert vom Bundesdenkmalamt Graz, Frau Dr. Ulla Steinklauber vom Landesmuseum Joanneum und Frau AR Ehrentraud Zenz von der BH Graz-Umgebung.

Nach den aktuell vorliegenden Auswertungen handelt es sich bei dem Sinterplattenabbau um eine archäologische Entdeckung internationalen Ranges, die wie schon oben erwähnt vorerst einzigartig im europäischen Raum ist. Die ursprüngliche Annahme, dass der unterirdische Abbau aus der frühen Neuzeit stammt, musste nach Analyse der Bohrkerne revidiert werden. Das Mindestalter des nachgewachsenen Sinters konnte auf über 2800 Jahre datiert werden, die Abbauarbeiten erfolgten in der prähistorischen Epoche vor mindestens 2800 bis 5100 Jahren.

In Verbindung mit dem unterirdischen Steinbruch könnten auch jene Keramikfunde stehen, die im Jahre 1991 im Auftrag des Bundesdenkmalamtes in der unmittelbaren Umgebung der Abbaufläche geborgen wurden. Die furchenstichverzierte Keramik wurde von Dr. Gerald Fuchs in das 3. vorchristlichen Jahrtausend, der jüngeren Kupferzeit, die zur späten Phase des Neolithikums (Jungsteinzeit) gehört, datiert.

Auf einer verifizierten Abbaufläche von 34 m 2 konnten Spuren von 94 entfernten Platten nachgewiesen werden. Die Anzahl der insgesamt abgebauten Platten, mit den durchschnittlichen Maßen von 0,8 m Länge, 0,4 m Breite und 0,2 bis 0,3 m Höhe, liegt nach heutiger Erkenntnis zwischen 100 und 150 Stück. Um die einzelnen Blöcke wurde entlang der schräg und horizontal verlaufenden Schichtflächen der Sinterablagerungen mit Hauen ein oft nur 5 bis 10 cm breiter Spalt über 30 cm tief in die Sinterfläche geschlagen und danach die Platte vermutlich mit Hebeln oder Holz- bzw. Metallkeilen entlang der Schichtfläche gelöst und abgehoben.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen sind noch lange nicht abgeschlossen; viele Fragen sind bislang ungeklärt, etwa wohin die Platten transportiert wurden bzw. für welche Zwecke, z.B. Grabstätten, Bauten oder Siedlungen, man sie eingesetzt hat. Im November des Jahres 2005 hat ein Filmteam unter der Leitung von Petrus van der Let aus Wien die bisherigen Forschungsarbeiten vor Ort für eine TV-Produktion mit dem Titel „Reise zur Wiege Europas“ dokumentiert. Eine ausführliche Dokumentation der wissenschaftlichen Arbeiten erfolgte bis jetzt im Heft 19 der wissenschaftlichen Reihe „ Schild von Steier“ am Landesmuseum Joanneum in Graz, das Mitte Dezember 2006 erschienen ist und in den „ Fundberichten aus ÖsterreichNr. 44 (2006),des Bundesdenkmalamtes in Graz/Wien.

Dr. Heinrich Kusch

Teilabschnitt Katzensteig
Teilabschnitt des versinterten Wandbereichs im Höhlenabschnitt Katzensteig in der Lurgrotte Semriach. Sehr schön sind die Abbauspuren und eine noch „in situ“ erhalten gebliebene und nicht entfernte Sinterplatte zu erkennen. (Foto: Ingrid Kusch)
Filmaufnahmen
Arbeitsszene bei den Filmaufnahmen im Bereich des Sinterplattenabbaus in der Lurgrotte Semriach. (Foto: Heinrich Kusch)
Produktionsteam
Das Team um den Produzenten Petrus van der Let während der Filmdokumentation. (Foto: Heinrich Kusch)

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